Wenn Liebe laut wird: Mum Rage, Schuld & das Tabu der Wut
„Mama, was regst du dich denn so auf?“
Welche Mutter hat diesen Satz noch nie gehört? Ich kenne ihn gut. Er kommt von meinen Kindern.
Vielleicht liegt es an meiner emotionalen Art. Andere Mütter schlucken ihren Frust runter, werden ganz leise oder drehen sich einfach um. Bei mir kommt es auch mal zu einem Ausbruch – und den gab es schon häufiger im Verlauf meines Mutter-Seins.

Warum?
Weil ich selbstständig arbeite – ohne feste Arbeitszeiten.
Weil ich den Haushalt gestemmt, die Familienorga gewuppt, Kinder betreut, Arzttermine gemanagt, Geburtstagsgeschenke besorgt, Urlaube geplant und nebenbei das komplette Finanz- und Lebensmanagement übernommen habe.
Weil ich aber auch Freundschaften pflegen, Sport machen, verreisen oder abends mal essen gehen wollte.
Ergo: Es gab zeitliche und mentale Engpässe. Ohne Ende!
👉 Für meine Kinder oft nicht nachvollziehbar, an welchen Punkten ich überfordert war.
👉 Für mich nicht absehbar, denn ich hatte nicht geplant, alles alleine zu stemmen.
👉 Für andere schwer zu verstehen, denn „du hast es dir ja ausgesucht“.
Habe ich mir das so ausgesucht beziehungsweise so vorgestellt?
Und: Darf ich als Mutter überhaupt wütend sein? Frustiert, erschöpft, überfordert?
Oder reichen Yoga-Kurs, Gespräche mit Freund:innen, Einschlaf-Podcasts, Selfcare-Coachings…?
Es gibt genug Angebote, genug liebe Freund:innen, die Verständnis zeigen, genug Bücher, Filme, Helfer, die man nutzen kann (zumindest ab und zu mal, wenn man mal eine Lücke schafft;)
Ich finde trotzdem, man darf das:
- Verzweifelt darüber sein, dass der Lebensplan nicht aufging und der Prinz sich aufs nächste Pferd zur nächsten Prinzessin geschwungen hat. Oder dass ich mich selbst verändert habe und den Prinzen nicht mehr gut finde.
- Traurig darüber sein, dass man sich mit Mann alleine gelassen fühlt.
- Traurig darüber sein, dass man sich ohne Mann alleine fühlt.
- Es richtig blöd finden, dass die Kinder so wenig verstehen, wie viel man tut und über jedes ToDo nörgeln.
- Sich eingestehen, dass man insgeheim dachte, die Kinder machen mit 16 Abitur, ohne dass man ihnen je bei den Hausaufgaben helfen musste und mit 23 ziehen sie in ihre selbst finanzierte Wohnung.
- Zum Kotzen finden, dass ein großer Teil des Lebens von anderen/m gesteuert wird und die Leichtigkeit fehlt.
- Mal kurz neidvoll auf die Bekannte blicken, die das Geld ihres Mannes nutzen kann, um einen Klamotten-Laden aufzumachen. Und nicht im 1. Quartal im Plus sein muss.
- Mich ungerecht behandelt fühlen, wenn die Petra mit ihrem Knack-Po ihre Quinoa-Bowl für Instagram in Szene setzt, während ich es abends kaum noch rechtzeitig in den Supermarkt schaffe.
- Schreien, weil die Waschmaschine, das Auto und der Rechner an einem Tag gleichzeitig den Geist aufgeben und der Steuerberater die Überweisung des letzten Quartals anmahnt.
- Heulen, weil ich endlich mal zum Ladies-Dinner wollte, aber der Klein-Sohn Fieber hat.
- Oder die Tränen wegdrücken, weil alle Ladies toll frisiert und hip gedresst zur Party kommen und du auf den letzten Drücker nur Haarspray und die Klamotte vom vor-vor-vorletzten Jahr im Schrank gefunden hast (und die sitzt verdammt eng).

Ich bin nicht der Dalai Lama. Ich bin eine Mutter.
Ach – schon während ich das schreibe, nimmt meine Wut doch ein bisschen ab…:)
Und natürlich weiß ich:
✔ Gesund sein steht über allem.
✔ Friends & Family zu haben ist das größte Geschenk.
✔ Kind(er) sind eine Bereicherung und Wundertüten und Herzerweiterung.
✔ Und ja – es gibt heute mehr Räume und Möglichkeiten für Mütter als je zuvor.
Ich finde aber trotzdem oder gerade deshalb: Ich will wütend sein dürfen, meinen Kids deutlich zeigen, dass meine Grenzen überschritten sind, will nicht immer perfekt und souverän sein müssen, ein Heul-Wochenende einlegen können, mit Freundinnen das Leid der Welt beklagen… und einfach alles mal Sch… finden können.
Und ich will mich vor allem nicht immer schuldig fühlen deswegen!
Achtsamkeit, Reflexion, Selbstfürsorge – alles richtig und wichtig. Aber:
Warum müssen gerade Mütter eigentlich immer sanft, multifunktional und innerlich ausbalanciert sein? Bin ich nicht geworden, nur weil ich Kinder bekommen habe. Im Gegenteil.
Ich bin Mensch. Mit Wut. Mit Herz. Mit Krach.
Ich bin nicht der Dalai Lama. (Auch wenn ich ihn mag. Aber – mal ehrlich – der hat auch keine Kinder.)
Und weil ich liebe, darf ich alles fühlen. Obwohl ich Mutter bin.
Gerade deshalb. ❤️


Dagmar Thiam
Dagmar ist Mitgründerin und CMO von Belle&Yell. Die erfahrene TV- und Bühnenmoderatorin mit mehr als 25 Jahren internationaler Expertise war auch lange Jahre als Sportjournalistin tätig. Sie ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Unternehmerin mit einem Diplom in Betriebswirtschaft und internationalem Marketing. Neben ihren Tätigkeiten in Medien und Wirtschaft ist Dagmar auch ausgebildeter Einzel- und Teamcoach und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihr breitgefächertes Fachwissen macht sie zu einer anerkannten Expertin für persönliches und berufliches Empowerment. Die zweifache Mutter liebt Sport (ehemalige Beachvolleyballerin), Groß-Familie, lebhafte Tischgespräche und Baumärkte.