Muttersein 3.0 – Zwischen „alles geben“ und „nicht aufgeben“
Willkommen im Familienbetrieb – nur leider ohne Bezahlung, Pause oder Applaus
Der Wecker klingelt, das Frühstück steht auf dem Tisch, der Kindergeburtstag ist geplant, der Elternabend im Kopf, die Oma nicht vergessen, der Wäscheberg ignoriert. Welcome to the Club: Mental Load heißt das – und nein, das ist kein neues Yoga-Format, sondern ein Zustand. Und zwar ein chronischer.
Muttersein 2025 bedeutet: Projektleitung, Emotionsmanagement, Krisenstab. Und zwar jeden Tag. Die gesellschaftlichen Strukturen? Wirkt modern, lebt aber Steinzeit. Denn obwohl sich viel in puncto Rollenverteilung getan hat, bleibt die Hauptverantwortung für den Alltagswahnsinn weiterhin weiblich codiert. Das ist jetzt sogar per Studie bewiesen. Die so genannte Vermächtnisstudie 2023 aus Deutschland zeigt schwarz auf weiß, was viele Mütter jeden Tag spüren: In 18 von 21 Lebensbereichen sind es die Frauen, die planen, organisieren, mitdenken.
Kurz gesagt: Ohne Mütter würde der Laden nicht laufen – und niemand merkt’s.

Die Helfer-Illusion: Warum Väter keine Sidekicks sind
Viele Väter wollen mehr machen – ehrlich! Aber oft endet der Wille an der unsichtbaren Wand aus Rollenklischees, Präsenzkultur im Job und Babyboomer-Chefdenke. Wer sich als Mann um die Kita-Krankmeldung kümmert, wird noch immer bestaunt wie ein Pfau in der U-Bahn.
73 % der Väter nennen den Arbeitgeber als zentrales Hindernis. 49 % fürchten Karriereeinbußen bei Elternzeit. Willkommen in der Realität 2025: Das System ist stehen geblieben, während die Familien längst losgelaufen sind.
Solange Väter „mithelfen“, statt mitzudenken, bleibt Care-Arbeit Privatsache – und Mütter die Alleinverantwortlichen. Spoiler: Wer Hilfe bekommt, ist nicht gleichberechtigt. Wer Verantwortung teilt, schon.
Der Mythos der „guten Mutter“ – ein Burnout in rosa Schleife
Neben all dem Real-Life-Management schwebt über allem noch das Damoklesschwert der „guten Mutter“. Sie soll liebevoll, aufopferungsvoll und jederzeit verfügbar sein – aber natürlich auch cool, schlank und belastbar.
Mütter, die „Nein“ sagen, gelten schnell als schwierig. Mütter, die sich Raum nehmen, als egoistisch. Aber was, wenn genau das der Anfang wäre? Was, wenn Auflehnung kein Ausbruch, sondern ein Akt der Selbstfürsorge ist?
Doch genau diese Mütter braucht es: die Wütenden, die Kaputten, die Klaren. Die, die sagen: Schluss jetzt. Nicht weil sie keine Lust haben, sondern weil sie endlich gesehen werden wollen – nicht nur am Muttertag mit Blumen, sondern im Alltag mit Verantwortung.


Was ist die Vermächtnisstudie 2023?
Die Vermächtnisstudie ist eine groß angelegte Langzeitstudie von ZEIT, dem Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und infas, die seit 2015 regelmäßig erhebt, was Menschen in Deutschland über zentrale gesellschaftliche Themen denken – und wie sie wirklich leben.
In der 2023er-Erhebung lag ein Fokus auf dem Familienalltag. Die Vermächtnisstudie macht sichtbar, was viele Frauen schon lange spüren – aber was selten messbar war: Die mentale, emotionale und organisatorische Hauptlast in Familien liegt bei den Frauen. Und sie wird strukturell nicht anerkannt.
Die Care-Wende beginnt im Kopf – und am Küchentisch
Mental Load ist kein privates Problem, sondern ein politisches. Denn Care-Arbeit ist kein Hobby. Sie ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Es geht um Verteilung, Sichtbarkeit und Macht. Und um Fragen, die über Blumensträuße hinausgehen:
💥 Wann hattest du das letzte Mal Zeit nur für dich?
💥 Was würdest du dir wünschen, wenn niemand mit den Augen rollen würde?
💥 Wie wäre es, wenn der Elternabend nicht dein Tages-Endgegner wäre?
Fazit: Wir brauchen keine Helden, wir brauchen Mitstreiter:innen
Mütter sind nicht „die stillen Heldinnen unserer Zeit“. Sie sind die tragenden Säulen eines Systems, das ohne sie kollabieren würde. Und sie haben es satt, dafür mit Klischees belohnt zu werden.
Also: Lasst uns gemeinsam Verantwortung neu verhandeln. Ohne Schuldgefühle, ohne Applaus fürs Mithelfen. Sondern mit echter Gleichberechtigung – im Kopf, im Kalender und in der Care-Arbeit.

Mental Load in Zahlen
Unsichtbare Arbeit
18 von 21 Alltagsaufgaben: von Frauen gemanagt. Danke, aber nein danke.
Blockierte Väter
73 % der Väter: sagen, dass der Arbeitgeber schuld ist, warum sie weniger Care-Arbeit übernehmen.
Karriere-Angst
49 % der Männer: glauben, längere Elternzeit schade der Karriere. (Newsflash: tut sie bei Frauen auch – still no one cares.)
Unbezahlter Workload
OECD-Daten: Frauen leisten weltweit täglich 2,5-mal mehr unbezahlte Arbeit als Männer.
Kosten der Care Arbeit
70 % der Frauen: nennen finanzielle Gründe als Hindernis für mehr väterliche Care-Arbeit

Dagmar Thiam
Dagmar ist Mitgründerin und CMO von Belle&Yell. Die erfahrene TV- und Bühnenmoderatorin mit mehr als 25 Jahren internationaler Expertise war auch lange Jahre als Sportjournalistin tätig. Sie ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Unternehmerin mit einem Diplom in Betriebswirtschaft und internationalem Marketing. Neben ihren Tätigkeiten in Medien und Wirtschaft ist Dagmar auch ausgebildeter Einzel- und Teamcoach und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihr breitgefächertes Fachwissen macht sie zu einer anerkannten Expertin für persönliches und berufliches Empowerment. Die zweifache Mutter liebt Sport (ehemalige Beachvolleyballerin), Groß-Familie, lebhafte Tischgespräche und Baumärkte.