Was passiert, wenn man zwei Frauen in einen Raum setzt, die keine Angst vor peinlichen Themen haben? Richtig: Es wird spannend, befreiend – und ziemlich unverschämt.

Sandra Baron und Tina Holmes nennen sich selbst die TabooTalker. Sie reden über alles, worüber sonst gern geschwiegen wird: Sex, Scham, Hormonchaos. Und warum das kein Mut, sondern gesunder Menschenverstand ist. Bei Belle&Yell erzählen sie, warum weibliche Tabus gefährlich sind, wie sie unser Selbstbild formen – und warum Scham ein Machtinstrument ist, das wir entwaffnen sollten.

Tabuisiert, geschämt, geschwiegen

Die Liste der weiblichen Tabus ist lang: Sexualität, Wechseljahre, Selbstzweifel. Was sie eint: Sie werden oft verschwiegen – aus Scham, aus Angst vor Ablehnung oder weil wir es schlicht nie anders gelernt haben. „Wir wurden sozialisiert, uns klein zu machen – körperlich, sprachlich, stimmlich“, sagt Tina Holmes. Die Folge: Frauen bleiben still. Und fühlen sich oft allein mit ihren Fragen, Beschwerden, Wünschen.

Dabei beginnt das Schweigen früh. „Schon im Sexualkundeunterricht wird kaum gesprochen – und wenn, dann über Schamlippen“, erzählt Tina. Dass schon das Wort eine Abwertung enthält, ist kein Zufall. Es spiegelt ein System, das weibliche Körper reguliert – statt sie zu feiern.

Scham als Systemfehler

Scham sei ein Instrument der Macht, sagt Sandra – und damit Teil eines größeren Problems: des Patriarchats. „Frauen wurden historisch aus machtvollen Positionen gedrängt – obwohl sie mit dem Thema Geburt eigentlich in der stärksten Rolle überhaupt sind.“ Der weibliche Körper – von Anfang an politisch, von Anfang an reglementiert.

Doch aus Scham erwächst auch Kraft. Wenn man sie überwindet. Wenn man hinsieht. Und vor allem: wenn man laut wird.

Dafür haben Sandra und Tina die TabooTalks ins Leben gerufen – intime, empowernde Gesprächsrunden mit Frauen, in denen kein Thema zu heikel ist.

Was passiert, wenn wir sprechen?

„Ich hatte Angst, zur Gruppe zu kommen – aber noch mehr Angst, nicht dabei zu sein“, berichtet eine Teilnehmerin. Die Erfahrung: Sobald jemand das Schweigen bricht, wollen andere folgen. Und plötzlich ist da kein Tabu mehr – sondern Solidarität.

Die Talks sind ein Raum zum Atmen. Zum Fragen. Zum Loslassen. Und: zum Verlernen. „Viele Frauen erkennen erst bei uns, dass sie sich für Dinge schämen, die völlig normal sind – und dass sie damit nicht allein sind“, sagt Tina.

Tabus? Reden wir drüber!

Was ist ein Tabu – und warum betrifft es besonders Frauen?

Definition:
Tabus sind die unsichtbaren Stoppschilder unserer Gesellschaft – unausgesprochene Regeln, die bestimmte Themen als peinlich, unangemessen oder „zu viel“ abstempeln. Oft folgen wir diesen Regeln automatisch, ohne zu hinterfragen, warum.

Typisch weibliche Tabus:
  • Menstruation & Zyklus
  • Lust & Sexualität
  • Körperliche Veränderungen (Geburt, Alter, Gewicht)
  • Wechseljahre & Hormone
  • Fehlgeburt, Unfruchtbarkeit, psychische Krisen
  • Macht, Geld & Ambition
Warum Tabus problematisch sind:
  • Sie nähren Scham und Schweigen
  • Sie blockieren offene Gespräche
  • Sie isolieren – besonders Frauen
  • Sie untergraben weibliche Handlungsfähigkeit – emotional, sozial und wirtschaftlich
Wie wir sie brechen:
  • Reden. Und zwar laut. Kein Flüstern mehr bei Tampons, Lust oder Geld.
  • Räume schaffen, in denen alles gesagt werden darf – ohne Augenrollen.
  • Vorbilder zeigen, die offen mit Tabus umgehen – und damit andere ermutigen.
  • Sprache verändern – Beispiel: In Deutschland wird die Vulva noch immer „Schamlippen“ genannt. Wir sagen: Schluss damit! Sie heißt Vulva. Punkt.

🎧 Das Interview mit Sandra Baron und Tina Holmes gibt’s im Belle&Yell Video Podcast. Reinhören. Mitreden. Loslegen.

Die Kraft der Unverschämtheit

„Scham befreit – wenn man sie auflöst“, sagt Sandra. Und plädiert dafür, unverschämt durch die Welt zu gehen. Nicht aus Respektlosigkeit, sondern aus Selbstachtung. Denn wer ständig Angst hat, als zu laut, zu emotional, zu direkt zu gelten, hält sich selbst klein.

Unverschämt heißt auch: „Ich darf das“. Ich darf über meine Sexualität sprechen. Ich darf im Meeting sagen, dass ich in den Wechseljahren bin. Ich darf einen Tampon aus der Tasche ziehen – ohne rot zu werden. Ich darf ich sein.

Und was ist mit den Männern?

Auch Männer leiden unter Tabus. Nur anderen. Die Rolle des „starken Mannes“ ist ebenso eng wie die der „leisen Frau“. „Männer sind unsere nächste Zielgruppe“, sagt Tina. „Auch sie brauchen Räume, in denen sie über Gefühle, Vaterschaft, Sexualität sprechen können – ohne bewertet zu werden.“

Tabus sind kein Frauenproblem. Sie sind ein Gesellschaftsproblem. Und deren Lösung braucht: alle.

Was können wir tun?

Sandra und Tina fordern: mehr Vorbilder. Mehr Sichtbarkeit. Und mehr Mut, das Unangenehme auszusprechen. Sei es im Unternehmen („Warum gibt’s hier eigentlich keine kostenlosen Tampons?“), im Freundeskreis oder bei sich selbst.
Und Unternehmen? Können anfangen, neue Bilder zu zeigen. Frauen nicht nur als Konsumentinnen für Vaginalcreme und Antifaltenserum, sondern als das, was sie sind: kraftvoll, wissend, schön – in jedem Alter.

Fazit: Der Tabu-Talk beginnt bei dir

Sandra sagt: „Da, wo die größte Angst sitzt, liegt auch die größte Belohnung.“ Wer Tabus bricht, riskiert Irritation – gewinnt aber an Kraft. Und wer den Mut hat, laut zu sein, macht anderen den Weg frei.
Also los: Sei unverschämt. Und sprich darüber.

Über Sandra Baron & Tina Holmes

Sandra Baron ist Executive Coach und Botschafterin für weibliches Unternehmertum. Sie unterstützt Frauen dabei, sichtbar und wirksam zu sein – mit Klartext und Haltung. Tina Holmes ist Interimsmanagerin und Coach für Führung und Veränderung. Sie bringt Tabuthemen ins Gespräch – direkt, mutig und auf Augenhöhe. Gemeinsam sind sie die TabooTalker – und schaffen Räume, in denen Scham zu Stärke und Schweigen zu Solidarität wird. In ihren Sessions, Talks und Coachings helfen sie Frauen frei über Sexualität, Wechseljahre und Karriere zu sprechen und sich sich von gesellschaftlichen Tabus zu befreien – laut, mutig und „un-verschämt“.